Sonntag, 18. Juli 2010

Tag 5 Alta – Nordkapp – Alta: 480 km

Heute die Kernetappe der gesamten Tour; die Abreise verzögert sich allerdings, weil sich am Vortag herausstellte, dass der Akku von Michi’s Kamera dann doch nicht ewig hält, ich aber vorsorglich das Ladegerät zu Hause gelassen habe und das Laden via USB nicht funktioniert. Ein Besuch am Kapp ohne Fotobeweismaterial erscheit mir aber nicht Ziel führend, ergo begebe ich mich zum vermutlich nördlichst gelegenen Elektrohändler der Welt, wo mir eine Samsung Digicam angeboten wird. Kurze Recherche ergibt, dass dieselbe preislich nicht allzu weit weg ist von unseren Breitengraden, außerdem ist der Akku schon geladen und der nette Verkäufer erklärt mir ausführlich die Garantie-Politik der gegenständlichen Elektrokette (die für mich als Österreicher bestimmt von Relevanz werden wird), somit erwerbe ich das Ding und breche erst kurz vor zwölf zufrieden auf. Das Wetter präsentiert sich im Gegensatz zum Vortag als einheitlich traumhaft und mit rund 20 Grad recht warm, was die Fahrt ans Kapp zu einem echten Highlight werden lässt. Die Landschaft allmählich mit leichter Tendenz zum tundraartigen, das Licht und die Farben unvergleichlich und auch die Strasse in großen Teilen extrem interessant. Meine Freunde die Rentiere sind auch fleißig unterwegs, gerne auch über und auf der Straße, weswegen Vorsicht immer angebracht ist. Beim Tanken erstehe ich neben üblichen Snacks auch noch getrocknetes Rentierfleisch und ebensolchen Stockfisch, was ich beides nicht wirklich empfehlen kann.

Nach knapp 240 Kilometern und dem Durchfahren des bis zu 212 Meter unter dem Meeresspiegel führenden und rund 7 Kilometer langen Nordkaptunnel, der Mageroya - die das Kap beherbergende Insel - mit dem Festland verbindet, ist das Ziel erreicht: Nordkapp. Mit einer geografischen Breite von 71° 10’ 21’’ ist es der nördlichste Punkt Europas, der mittels einer Straße vom Festland aus zu erreichen ist. Es wurde im sechzehnten Jahrhundert von einer britischen Expedition auf der Suche nach der Nordostpassage Richtung China entdeckt und genießt seither den Ruf, Europas nördliches Ende zu sein, was allerdings nicht zutrifft: wo genau jenes wirklich liegt, darüber scheiden sich nach wie vor die Geister. Sei es drum, die Lage ist auch so wirklich extrem: der Polarkreis liegt 520 Kilometer weiter südlich, der Nordpol noch einmal 2.100 Kilometer im Norden. Das Kap als solches ist sicher nicht spektakulärer als andere Fjorde, allerdings ist es doch ein besonderes Gefühl ganz oben hier im Norden zu stehen und Ausblick und traumhaftes Wetter zu genießen. Und sich selbst über die Tatsache zu wundern, dass man die Anreise in einem GT3 innerhalb von viereinhalb Tagen von Österreich aus und ohne die geringsten Probleme erledigt hat. Immerhin waren es bisher ziemlich genau 4.150 Kilometer, was einen Tagesschnitt von 922 Kilometern ergibt.

Eigentlich hätte die Rückfahrt weiter als nur bis nach Alta führen sollen, aber nach dem Kamera-Kauf morgens und einem in Anbetracht der zeitlichen Enge dieser Reise dann doch recht langen Kap-Aufenthalt von rund zweieinhalb Stunden inklusive Postkartenversand wird klar, dass ein Ziel weiter südlich als Alta an diesem Tag nicht mehr machbar ist. Nächtigung also noch mal hier, allerdings in einem anderen Hotel, das direkt im ‚Zentrum’ liegt, wobei das Zentrum als solches kaum zu erkennen ist. Nichtsahnend begebe ich mich um 21.30h noch zur abendlichen Labung in eines der vier Lokale in Hotelnähe, ab ca 22.30h beginnt dann das zwar von Skandinavienkennerin Michi schon angekündigte aber doch nicht in dieser Form erwartete Schauspiel des samstagabendlichen Betrinkens Eingeborener, das vermutlich durch die Existenz einer Hochschule in Alta noch verstärkt wird. Wie die durstigen Rentiere hin zur Tränke strömen die Menschen an die Theke und versorgen sich schnellstmöglich mit entsprechenden Gebräuen. An Kuriosität gewinnt die Situation dadurch, dass auch um Mitternacht die Sonne noch deutlich am Himmel steht, ein großes Bier umgerechnet in etwa EUR 9,6 kostet und sich beim Konsum desselben sämtliche Alters- und Bevölkerungsschichten zu verbrüdern scheinen. Mich selbst übermannt die Müdigkeit erst um 0:30h, bis dahin überwiegt das Staunen ob der bizarren Szenerie. Die Schlafqualität ist trotz hervorragenden Bettes mäßig, weil die Sonne direkt in mein Zimmer scheint und eine Abdunkelung nur unzureichend machbar ist.

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